Leipziger Demo-Kessel bei „Tag X“: Polizei zog WC-Wagen vorzeitig ab

Die hygienischen Bedingungen für mehr als 1000 eingekesselte Menschen beim „Tag X“ waren massiv kritisiert worden. Es habe keine Pläne für den Fall einer Einkesselung gegeben, kritisiert die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz.

Die Aufarbeitung des „Tag X“-Wochenendes in Leipzig geht in eine neue Runde. Offenbar trifft ein Teil der Kritik an dem Umständen der Einkesselung von mehr als 1000 Menschen zu. Der Polizeieinsatz war auch deshalb massiv kritisiert worden, weil am Samstagabend am Alexis-Schumann-Platz im Kessel eine „katastrophale hygienische Situation“ geherrscht habe, hieß es von Demonstranten. Die Umschließung hatte etwa 18.45 Uhr begonnen und bis nach fünf Uhr am Sonntagmorgen gedauert. Innenminister Armin Schuster (CDU) hatte auf Nachfrage immer wieder betont, für die Demonstranten habe ein Toilettenwagen zur Verfügung gestanden.Wie die Leipziger Polizei nun einräumt, seien zwei WC-Wagen der Thüringer Polizei und der Bundespolizei ab 20 Uhr vor Ort gewesen jedoch schon um ein Uhr abgezogen worden. Den Fahrern der Fahrzeuge hätte andernfalls eine Überschreitung der Lenk- und Ruhezeiten gedroht, so Polizeisprecher Olaf Hoppe. „Wir haben alles versucht, eine Genehmigung für einen weiteren Einsatz der Toilettenwagen zu bekommen, das hat aber nicht funktioniert.“ Man habe versucht, Verantwortliche einer nahe gelegenen Schule zu erreichen, um Schul- oder Turnhallentoiletten nutzen zu können. Wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit sei dies nicht gelungen.

Jürgen Kasek, Rechtsanwalt und Anmelder der Demonstration, deren Teilnehmer später eingekesselt wurden, sagt: „Wenn Personen mehr als zwei oder vier Stunden festgehalten werden, haben sie Anspruch auf eine Minimalversorgung mit Wasser und Essen sowie Sanitäreinrichtungen.“ Viele Menschen, die sich in dem Kessel befanden, hätten geschildert, dass ein Busch notdürftig für die Notdurft umfunktioniert worden sei, der ausgeleuchtet gewesen sei. „Das ist kein menschenwürdiger Zustand“, so Kasek. Von einem WC-Wagen hätten die meisten nichts mitbekommen, viele hätten nicht die Möglichkeit gehabt, diesen zu nutzen.

Außerdem seien viele der Eingeschlossenen auf eine Demo am Nachmittag vorbereitet gewesen, aber nicht ausreichend bekleidet, um über Nacht bei sieben Grad Celsius festgehalten zu werden. er selbst habe vor Ort bayerischen Polizisten angeboten, in den Kessel zu gehen, um den Demonstranten zu erklären, was als nächstes passiere und diese zur Kooperation mit der Polizei anzuregen. „Die Polizei hat das Angebot nicht angenommen“, so Kasek. „Die Polizei sollte also nicht darauf abstellen, dass es keine Kooperation gab.“

Auf Anfrage von Demonstranten hätte man diese aber per Shuttle in umliegende Polizeidienststellen gebracht, damit sie ihre Notdurft verrichten können, so Hoppe. Jeder Toilettengang, ob im WC-Wagen oder im Revier, wäre aber mit einer Identitätsfeststellung verbunden gewesen. „Was wir nicht machen: jemanden zur Toilette und wieder zurück in den Kessel bringen“, sagte Polizeisprecher Hoppe. Es habe jedoch keine Kooperation der Eingeschlossenen gegeben. Nach einer Identitätsfeststellung hätten die Menschen gehen können.

Über Lautsprecherdurchsagen sei zwar alles zu strafprozessualen Maßnahmen der Polizei an die Demonstranten kommuniziert worden, aber nicht zur Möglichkeit, Toiletten zu nutzen. Dies sei über Twitter erfolgt. „Da nehmen wir uns der Kritik an“, so Hoppe weiter. Allerdings seien auch andere Durchsagen nicht überall im Kessel zu hören gewesen.

Die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz sagt, die abgezogenen Toilettenwagen reihten sich in eine ganze Reihe von Fragen ein. „Die Polizei hat alles vorbereitet: Wasserwerfer, Hubschrauber, Hundertschaften, Pferde“, so Köditz. „Sie haben aber offensichtlich nichts geplant, um Menschen, die von Maßnahmen betroffen sein könnten, menschenwürdig zu behandeln wie sich an der Verfügbarkeit der Toilettenwagen für die Menschen im Kessel zeigt.“ Auch für die Trinkwasserversorgung hätte die Polizei erst die Stadtwerke angefragt, die dann einen Wagen geschickt hätten.

Inzwischen werde auch in zwei Fällen nach Strafanzeigen gegen Beamte ermittelt, so Polizeisprecher Olaf Hoppe. „Zwei weitere Prüffälle resultieren aus verschiedenen Vorwürfen, die auch im Internet aufgetaucht sind.“ Die Staatsanwaltschaft Leipzig sei für die Verfahren gegen Polizisten zuständig, aber sie würden durch Kriminalisten der Polizeidirektion Dresden bearbeitet.